Bäcker, Bader, Steinhauer, Zinngießer, Schmied, Küfer, Wagner, Schreiner, Kupferschmied, Sattler, Gäulesmacher, Hufschmied, Kürschner, Pinselmacher, Schuhmacher, Schneider, Strumpfstricker, Seifensieder, Kerzenzieher, Tabakschneider, Leimsieder, Scherenschleifer, Drechsler, Seiler, Müller, Weber, Töpfer, Besenbinder, Korbflechter, Kesselflicker, Pulvermacher, Flösser, Loher, Papierschöpfer und Perlmuttdrechsler, Brunnenbauer, Köhler, Rechenmacher, Kalkbrenner … zu viele Künste, Handwerksberufe und Fertigkeiten sind verschwunden, manche werden wiederentdeckt, sind im Kommen und werden nachgefragt.
“Das Handwerk ist wieder im Kommen; an vielen Orten, zumindest in der westlichen Welt, ist eine Rückkehr von Manufakturen, kleinen Bäckereien, Kaffeeröstereien und anderen handwerklichen Betrieben zu beobachten“, schreibt Alexander Graf von Schlieffen. „Dieses Mal geschieht es nicht auseiner primärökonomischen Notwendigkeit, sondern aus einer geistigen Haltung heraus. Das verändert die Beziehung zur Arbeit und zum Begriff der Qualität.”
Die Entwicklung des Odenwälder Handwerks
am Beispiel Wagenschwend
Handwerker gab es bis zum 17. Jh. fast nur in Städten wie Mosbach, Eberbach und Buchen
Erst Ende des 17. Jh. siedelten sich im Odenwald die Handwerker in den Ortschaften an, in denen der Handel durch abgehaltene Märkte gedieh (Strümpfelbrunn, Limbach, Mudau). Doch bis zur Wende zum 18. Jh. war die Zahl der vertretenen Stände in diesen Marktflecken noch gering, so dass hauptsächlich Gastwirte, Krämer, Schuhmacher und Schneider ansässig waren.
Bis zum Anfang des 18. Jh. kamen noch Maurer, Zimmerleute, Schmiede, Schreiner, Bäcker und Wagner hinzu, die sich dann auch in den umliegenden Dörfern niederließen (Wagenschwend: 1711 erstmals Zimmermann, 1720 Gastwirt, 1725 Schmied, 1751 Hafner, 1759 Leinweber, 1797 Bäcker, 1798 Maurer).
Diese Professionisten, wie sie damals auch genannt wurden, hatten selten nur durch die Ausübung ihres Berufes ihren Lebensunterhalt bestritten. Da das Arbeitsfeld des Handwerkers auf dem Land noch wenig Möglichkeiten bot, waren viele dieser Berufszweige oft genötigt, in der Wanderarbeit oder im Taglohn ihr Einkommen aufzubessern. Vielfach mussten sie noch eine kleine Landwirtschaft nebenher betreiben. In der Kurpfalz waren schon im 16. Jh. Maurer, Ziegler und Zimmermänner als Wanderarbeiter bekannt.
Die Ausbildung im qualifiziertem Handwerk begann im 10. bis 12. Lebensjahr. Lehrlinge und Gesellen wohnten und aßen in der Regel im Meisterhaus. Erst mit der Massenanfertigung im Handwerk, im späten 18. Jh., löste sich diese soziale Wohnform allmählich auf.
Zwischen dem dörflichem Handwerk und der ländlichen Hausindustrie konnte anfänglich schwer eine Grenze gezogen werden, da der Dorfhandwerker sehr oft auch in der Hausindustrie tätig war.
Das Gewerbe war bis zum 17./18. Jh. sehr mangelhaft entwickelt und versorgte oft nur den örtlichen Bedarf mit den notwendigen Gebrauchsgütern. Außergewöhnliche Erzeugnisse wurden auf den Märkten der größeren Ortschaften und in den Städten angeboten oder wurden von Händlern herbeigeschafft. Dieser Mangel an Gebrauchsgütern war auch auf den fehlenden Durchgangsverkehr im Odenwald, bzw. auf das gering ausgebaute Straßennetz zurückzuführen.
In unserer Region besaßen nur Strümpfelbrunn, Limbach und Mudau das Recht Märkte abzuhalten (Strümpfelbrunn seit 1755 jährlich 3 Krämer- und 12 Viehmärkte, Limbach seit 1718 jährlich 2 Krämer- und seit den 1820er Jahren 14, 1830 – 16, 1849 – 8 Viehmärkte).
Braindrain: Das verschwundene Handwerk am Beispiel Götzingen
“Etwa 780 Einwohner zählte das Dorf im Jahre 1865, die bäuerlich geprägte Bevölkerung wird ergänzt durch eine bodenständige Handwerkerstruktur, wie sie seit eben zu jener Zeit zu einem Bauerndorf gehörte …
Übrigens betrieben damals nahezu alle ortsansässigen Handwerker nebenbei noch eine kleine Landwirtschaft zur Sicherstellung ihres Lebensunterhaltes. Ein amtliches Verzeichnis aus dem Jahre 1865 führte folgende stattliche Zahl an Gewerbe-Betreibern in Götzingen auf: drei Bäcker, zehn Handelsleute, drei Küfer, fünf Maurer, drei Metrzger, vier Schmiede, drei Schneider, zwei Schreiner, zwei Schuhmacher, drei Wagner, acht Weber- und drei Zimmermeister.
Somit sorgten also damals Handwerker in 13 Sparten für eine wohl weitgehend ausreichende Versorgung der Einwohner im gewerblichen Bereich. Außer der Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung in Haus und Hof boten deren Werkstätten und Geschäfte oft auch willkommene Gelegenheit zum Erfahrungs- und Nachrichtenaustausch, waren sozusagen Nachrichtenbörsen.
Zu den Mühlen ist zu bemerken, das sie bereits vor über 500 Jahren aktenkundig waren. In einem Bericht aus dem Jahre 1487 sind schon „eine obere und eine untere mulle” benannt. Nicht aufgeführt sind in dieser Aufzälung allerdings die Gastwirtschaften, von denen 1832 immerhin fünf hier betrieben wurden … Wirklich auffallend war die stattliche Anzahl an Webern, offensichtlich ein wichtiger Faktor im Dorfgeschehen. Im Fragebogen zu einer regierungsamtlichen „Ortsbeschreibung” im Jahre 1806 wird dazu ausgeführt:
„In diesem Ort spinnen beide Geschlechter, jung und alt, machen meistens das Tuch selbst, verkaufen es; so suchen die meisten Leute durch spinnen so viel zu verdienen, daß sie ihre Abgaben bezahlen und ordentlich leben können”. Spinnräder und Webstühle waren in vielen Haushalten vorhanden. Selbst die Badische Regierung war bemüht, den Flachsanbau, die Hanfspinnerei und die Leinwandweberei durch eine Verordnung „Die Hebung des Wohlstandes, insbesondere der Einbringung der Leinwandproduktion” zu fördern und dadurch die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung zu verbessern …
Es ist bemerkenswert und war lange kaum vorstellbar, dass sich eine so breit angelegte und über viele Jahrzehnte gewachsene Gewerbe-Struktur auf dem Bauerndorf in nur fünf bis sechs Generationen sozusagen „auf Null zurückbildet” – es gibt heute keinen Handwerksbetrieb mehr in Götzingen. Genauso auch im Gastgewerbe – von den ehemals sechs Gastwirtschaften ist heute keine mehr in Betrieb.
Gleichzeitig wandelte sich parallel dazu auch die landwirtschaftliche Struktur nicht minder. In dem einst total durch die Landwirtschaft geprägten Götzingen gibt es heute nur noch zwei landwirtschaftliche Vollerwerbs-Betriebe. Während bei der Milcherzeugergenossenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg 128 Milch-Ablieferer registriert waren, gibt es in den Götzinger Ställen bereits seit einigen Jahren keine einzige Milchkuh mehr … .”
(Quelle: Walter Jaufmann, “Götzingen – ein Dorf im Wandel”. Erschienen in “Unser Land, Heimatkalender für Neckartal, Odenwald, Bauland und Kraichgau 2021″, S. 145ff)
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